Ein neues Leben entsteht
In Tausend von kleinen Schritten wird aus einer Eizelle ein Baby. Welcher davon
das Ungeborene zum Menschen macht ist kontrovers. Eine Chronik von der
Befruchtung bis zur Geburt.
1.Tag (Zeitangaben von der Befruchtung an) Der erste Schritt zum neuen Menschen
ist die Befruchtung einer Eizelle. 200 bis 300 Millionen Spermien machen sich am
Tag eins nach dem Eisprung auf den mehrstündigen Weg durch die Gebärmutter zum
Eileiter. Nur wenige Prozente kommen über die Gebärmutter hinaus, der Rest
verirrt sich und stirbt. Das Spermium, das als erstes intakt die Eizelle
erreicht, dockt an einem Eiweiß-Rezeptor an, der die Membran der Eizelle
öffnet. Das Spermium dringt in sie ein. Der Vorgang dauert etwa 20 Minuten.
Anschließend organisiert sich die genetische Information von Eizelle und
Spermium neu. Die Kerne von Ei und Spermium verschmelzen zu einem Zellkern mit
komplettem, 46-teiligem Chromosomensatz – eine vollständige Neukombination
aus dem Erbgut der Vorfahren, die den Bauplan für ein neues Individuum enthält.
Mit der Kernverschmelzung ist die Befruchtung abgeschlossen. Die befruchtete
Eizelle heißt "Zygote". Sie ist etwa 0,15 Millimeter groß.
Tag 1,5–3
Mit einer Reihe von Zellteilungen im Abstand von je 20 Stunden vermehrt sich die
Zellzahl der Zygote, ohne dass diese größer wird. Wenn die Zygote etwa 16
Zellen besitzt, verformt sie sich zur hügelig-rauen Morula, die ihren Namen von
der ähnlich aussehenden Maulbeere hat. Die Morula ist etwa 0,2 Millimeter groß.
Meist am dritten Tag verlässt sie den Eileiter und erreicht die Gebärmutter.
Tag 4
Die Morula ist in der Gebärmutter angekommen und höhlt sich aus. Sie heißt
nun Blastozyste. In ihr teilen sich die Zellen in zwei Gruppen. Die eine bildet
den innen liegenden Embryoblasten, aus dem der Embryo wird. Die übrigen bilden
den Trophoblasten, die Kugelhülle, die für die Einnistung und Versorgung des
Embryos zuständig ist. Der Embryoblast kann im Labor genutzt werden, um
embryonale Stammzellen herzustellen, aus denen Wissenschaftler unter anderem
Ersatzorgane für Schwerkranke herzustellen hoffen. Dazu wird der Embryoblast
zerteilt und in der Retorte kultiviert. Das Verfahren führt zur Zerstörung des
Embryos ("Embryonenverbrauch"). Es darf in Deutschland nicht durchgeführt
werden.
Tag 5–12
Der Trophoblast stellt Enzyme her, die die Gebärmutterschleimhaut aufweichen.
Die Blastozyste dringt in sie ein und setzt sich fest. Über ihr Hormon hCG, das
bald darauf per Schwangerschaftstest festgestellt werden kann, nimmt sie
chemisch Kontakt zur Mutter auf. Deren Eierstöcke halten daraufhin die
Produktion des Hormons Progesteron aufrecht. So wird der Menstruationszyklus
abgebrochen und der Mutterleib auf Schwangerschaft umgestellt. Die Gebärmutter
umgibt die Einnistungsstelle des Embryos mit zahlreichen neuen Blutgefäßen.
Bald darauf beginnt die Anlage der Plazenta (Mutterkuchen), die als gemeinsames
Organ von Mutter und Embryo dessen Versorgung übernimmt. Eine schwerwiegende Störung
der Einnistung tritt ein, wenn sie am falschen Ort stattfindet ("ektopische
Schwangerschaft"), zum Beispiel im Eileiter oder im Bauchfell. Eine solche
Schwangerschaft muss aus zwingender medizinischer Indikation abgebrochen werden,
weil sie das Leben der Mutter gefährdet. Wird sie früh erkannt und – etwa
durch eine Injektion – unterbrochen, kann der Embryo vom mütterlichen Gewebe
absorbiert werden, ohne dass eine Operation nötig ist, die zum Beispiel den
Eileiter zerstören würde.
Tag 12–19
Der Embryo wächst von 0,2 auf 1,5 Millimeter heran und wird mit bloßem Auge
sichtbar. Ein spezielles Organ, der Dottersack, beginnt eigene Blutzellen für
ihn zu bilden. Der Vorläufer der Nabelschnur wird angelegt. Der Embryo
entwickelt sich zu einer dreischichtigen Scheibe. Jede Schicht enthält Anlagen
für diverse Organsysteme. Frühe Vorläufer des menschlichen Nervensystems
werden sichtbar.
Tag
19–21
Die Embryo-Scheibe hat jetzt die Form einer Schuhsohle, ist symmetrisch und
besitzt erste Blutgefäße und eine primitive Herzanlage. Sie wächst bis auf
2,5 Millimeter.
Tag 21–23
Der Embryo hat ein s-förmiges Herz, das zu schlagen beginnt. Es ist noch nicht
in Vorhöfe und Kammern unterteilt.
Tag 23–25
Das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) macht einen Entwicklungsschub
durch: Es ist jetzt das am weitesten
entwickelte Organsystem. Augenanlagen erscheinen. Der Embryo ist drei bis vier
Millimeter lang.
Tag 25–27
Der Embryo ist c-förmig, der Kopf deutlich erkennbar. Augen und Ohren beginnen
sich auszuformen, ebenso Herzklappen und -scheidewände, Leber und
Verdauungsorgane.
Tag 27–29
Zum Ende des ersten Monats erreicht der Embryo bis zu 6 Millimeter Länge. Das
Gehirn teilt sich in funktionelle Einheiten für Sinneswahrnehmung,
Informations-verarbeitung und die Steuerung von Körperfunktionen wie Atmung.
Mund und Zunge bilden sich, ebenso die Lungen-
anlagen. Kleine Knospen für Arme und Beine werden erkennbar. Der Embryo ist von
ersten Hautzellen bedeckt.
Tag 29–41
Schnelles Wachstum von Hirn und Kopf. Die Linsen der Augen und Anlagen der
Nieren bilden sich, erste Nerven wachsen in Arm- und Beinknospen ein. Das Hirn
gliedert sich sichtbar in linke und rechte Hälfte. Hände und Füße beginnen
sich zu formen. Die Hirnzentren, die Herz, Atmung und Muskulatur steuern werden,
bilden sich aus. Dabei wächst der Embryo auf etwa 12 Millimeter heran.
Tag 41–47
Im Gehirn etabliert sich als erster Sinn das Riechen. Zahnanlagen bilden sich.
Die Hirnanhangdrüse als wichtigste Hormon-Steuerzentrale hat sich ausgeformt.
Finger- und Zehenanlagen sind sichtbar. Das noch weiche Skelett beginnt zu verknöchern.
Die Netzhäute pigmentieren sich, Augenlider wachsen. Erstmals bilden die Nieren
Urin. Der Embryo ist ungefähr 17 Millimeter groß.
Tag 47–48
Zum ersten Mal sind jetzt wellenförmige Hirnströme nachweisbar – der Beleg
dafür, dass das Gehirn des Embryos als späterer Sitz seiner Persönlichkeit
funktionsfähig ist und seine Tätigkeit aufgenommen hat.
Tag 48–51
Das Gehirn nimmt Verbindung zur Muskulatur auf: Der jetzt gut zwei Zentimeter
große Embryo kann sich selbstständig
bewegen.
Tag 52–55
Die Augen sind weitgehend ausgebildet, liegen aber noch seitlich am Kopf. Die
Ohrmuscheln sind sichtbar, die Zunge ist ausgebildet. Die Finger trennen sich,
die Zehen sind weiter durch "Schwimmhäute" verbunden. Das Herz ist
voll entwickelt. Das Gehirn kann gezielte Muskel-
bewegungen befehlen. Der Embryo hat noch einen Stummelschwanz, der langsam
schrumpft.
Tag 56–57
Sämtliche wichtigen Organsysteme sind angelegt, der bisherige Embryo heißt
seither Fötus. Er ist jetzt etwa drei Zentimeter groß. Das äußere Ohr ist
fertig. Geschmacks-knospen wachsen auf der Zunge. Finger und Zehen sind
komplett. Der Schwanz ist verschwunden.
Woche
10–11
Das Gehirn ist vollständig und wächst rasch. Anlagen für alle 20 Milchzähne
sind vorhanden. Das Gesicht trägt menschliche Züge. Die Stimmbänder haben
sich gebildet, und der Fötus kann Töne erzeugen. Die Leber produziert Galle.
Fingernägel beginnen zu wachsen. Der Fötus zeigt Reflexe, seine Haut ist
sensibel. Er wächst auf 76 Millimeter heran.
Woche 12–13
Der Fötus bewegt sich in der Gebärmutter. Der Herzschlag kann von außen hörbar
gemacht werden. Das Geschlecht kann im
Ultraschall bestimmt werden.
Woche 14–17
Der Fötus bewegt Kopf, Arme, Beine und Lippen. Die Augen und die Ohren
erreichen ihre endgültige Position. Die individuellen Linienmuster auf Finger-
und Zehenkuppen bilden sich. Der Kreislauf ist voll funktionsfähig.
Woche 18–23
Der Schlaf-Wach-Rhythmus bildet sich, der Fötus sucht sich eine bevorzugte
Schlafposition. Er kann am Daumen nuckeln. Die Phase des schnellsten
Gehirnwachstums beginnt. Sie hält bis ins fünfte Lebensjahr des Kindes an. Der
Fötus kann kräftig greifen. Die Gehörknöchelchen sind funktionsfähig,
sodass der Fötus mütterliche Atem- und Herztöne sowie die Stimme erkennen kann.
Woche 24–27
Hirnstrommuster beweisen, dass die Seh- und Hörzentren aktiv sind. Die Gefäße
der Lungen bilden sich, um das Kind auf das Leben an der Luft vorzubereiten. Die
Wirbelsäule ist komplett. Der Fötus kann jetzt unter Umständen dank
Intensivmedizin außerhalb des Mutterleibes überleben. Die Hirnstrommuster
erreichen in der 27. Woche Geburtsreife. Die Lungen werden atmungsfähig. Saugen
und Schlucken funktioniert. Die Augen öffnen sich und haben Wimpern.
Woche 28–29
Die Furchung der Großhirnrinde ist sichtbar. Der Fötus ist bereits gut 37
Zentimeter lang. Regelmäßige Atmung und die Kontrolle der Körpertemperatur
werden jetzt vom Gehirn übernommen.
Woche
30–31
Unzählige Verbindungen zwischen Nervenzellen des Gehirns werden hergestellt.
Die Iris des Auges nimmt Farbe an, die Pupille reagiert auf
Helligkeitsunterschiede. In der Gebärmutter wird es so eng, dass das Ungeborene
die typische "Fötalposition" einnimmt.
Woche 32–35
Die Augen sind beim Wachsein
offen und schließen sich im Schlaf. Das Immunsystem des Fötus bildet sich aus.
Woche 36–37
Der Körper hat die typisch rundliche Babyform angenommen. Der Fötus dreht sich
zu Lichtquellen. Er erreicht eine Gesamtlänge von 47 Zentimetern.
Woche 38–39
Der Kopf bleibt leicht verformbar, die Schädelnähte offen. So kann er sich an
den engen Geburtskanal anpassen. Er kehrt danach selbstständig zu seiner
rundlichen Form zurück. Mit 70 komplexen Reflexen ist der Fötus geburtsreif.
Er ist etwa 50 Zentimeter groß und hat über 300 Knochen, von denen durch
Verschmelzung bis zum Erwachsenenalter nur gut 200 übrig bleiben werden. Mit
der Geburt beginnt der Säugling umgehend, selbstständig zu atmen und wird vom
Plazenta-Kreislauf getrennt.

Letzte Aktualisierung am
30.08.2007
© 2007 Beapo
|